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Wie die Altausseer Taubenschützen alte Traditionen aufrechterhalten
- 4 Minuten Lesezeit
- Erlebnis, Tradition & Brauchtum
"Knall die Taube an die Wand"
Was viel brutaler klingt als es in Wahrheit ist, ist eine uralte Tradition im Ausseerland: das Taubenschießen. Hört man den Begriff, stellt man sich wahrscheinlich einen Schützen vor, der mit einem Gewehr auf Tauben schießt. Tatsächlich handelt es sich bei dem Sport aber um eine Taube als „Waffe“: Die Schützen zielen mit einer etwa zwei Kilogramm schweren Holztaube – aus Eichenholz geschnitzt und einer mit Schnabelspitze aus Eisen – auf eine Zielscheibe aus Papier.
Einst als „Sport der armen Leute“ begonnen, wie Obmann und Oberschützenmeister Andreas Köberl erzählt, finden sich allererste Aufzeichnungen zum Taubenschießen im Archiv des Vereins schon aus dem Jahr 1878. Die erste Vereinsscheibe gibt es aus dem Jahr 1925, seither erstellen die Taubenschützen jedes Jahr im Fasching – wo das Saisonende des Sports gefeiert wird – eine Scheibe aus Holz, die heute vergleichbar mit einem Faschingsbrief ist. Andreas erklärt: „Auf die Scheibe kommen lustige Geschichten, die den Schützen während des Jahres passiert sind“. Die Scheiben verschönern das Gasthaus Schneiderwirt.
"Die Kunst ist, die Taube richtig zu stabilisieren"
In etwa neun Metern Höhe ist das Pendelsystem an der Fassade des Schneiderwirts installiert, auf dem sich die Holztaube befindet. „Die Kunst ist, die Taube richtig zu stabilisieren“ beschreibt Vereinsmitglied Thomas den Gesellschaftssport. Auf einem acht Meter langem Seil befestigt, stabilisiert der Schütze die Holztaube mit seinen Händen und zielt direkt auf die Scheibe. Dabei steht er auf einer etwa 1,5 Meter hohen Anhöhe. Der Schütze richtet die Schnur, auf der die Taube befestigt ist, nach dem Pendel aus. Hat er die richtige Position erreicht, lässt er los und schickt die Taube so geradewegs auf die Zielscheibe – im besten Fall direkt auf den schwarzen Strich. „Es gibt zwei verschiedene Systeme: Entweder von eins bis vier oder von eins bis zehn“, so Andreas. Bei jedem Schießen hat der Schütze elf Versuche, wobei „der schlechteste Schuss gestrichen wird“.
„Schießt jemand das Maximum von 40 Punkten, muss er ein Bierfass zahlen“, erklärt Andreas. Das ein oder andere Bier zu trinken, gehört zur Tradition des Taubenschützenvereins ebenso dazu, wie ein Ausseer Hut. „Deshalb haben wir das Mindestalter auf 16 Jahre gehoben“, lachen die Männer. Ob das oft vorkomme, dass jemand ein Bierfass zahlen muss? „Ja schon, in dieser Saison haben wir bereits drei oder vier Fässer bekommen“, schmunzelt der Oberschützenmeister.
"Der Zieler ist wie ein Kasperl"
Eine Scheibe mit zehn Punkten verwenden die Schützen ausschließlich bei Meisterschaften oder dem sogenannten „Ausschießen“, also das letzte Schießen vor Saisonende. Bei dieser Scheibe ist es viel schwieriger, das Maximum der Punkteanzahl zu erreichen, da die Abstände bis zum nächsten Punkt viel geringer sind. Das Ausschießen findet am Faschingswochenende statt, ebenso wie das Schützenmahl. Um das Saisonende gebührend zu feiern, veranstalten die Taubenschützen am Faschingsmontag einen Umzug in Altaussee, bei dem sie von Wirtshaus zu Wirtshaus ziehen. Dabei gibt es immer einen „Zieler“, der, gekleidet in einer weißen Hose, einem grünen Oberteil und einem Lederhut mit Fuchsschwanz, die aktuelle Faschingsscheibe trägt. Außerdem hat der Zieler immer zwei Korken eingesteckt, die er anzündet und jedem zwei Punkte auf die Wangen malt. „Der Zieler ist wie ein Kasperl, er sorgt für Unterhaltung“, sagt Andreas.
Seit 2016 zählt das Taubenschießen in Altaussee zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO. Der Gesellschaftssport, der zumindest aus drei Schützen besteht – einer schießt, einer notiert das Ergebnis auf der Zielscheibe und einer gibt die Taube wieder zum Schützen auf die Anhöhe – wird in Österreich nur mehr in Altaussee ausgeübt. Vor 30 Jahren startete ein Verein im bayerischen Nußdorf am Inn, denn dort gibt es ebenfalls einen Schneiderwirt und so sind die Gruppen aufeinander aufmerksam geworden. „Nun treffen wir uns einmal im Jahr und veranstalten eine Weltmeisterschaft“ erzählt Oberschützenmeister Andreas lachend. Abwechselnd findet die Meisterschaft in Altaussee und in Bayern statt. Der Sieger darf dann den Wanderpokal für das kommende Jahr mitnehmen.
Bei Punktegleichheit entscheidet die Faust - oder nicht?
Jedes Jahr beim Ausschießen wird ein Jahressieger gekürt: Dabei wird jedes Schießen, das unter der Saison stattfand, ausgezählt. Aber was, wenn es Punktegleichstand gibt? Andreas schmunzelt: „Tatsächlich steht in den Statuten, dass bei Punktegleichheit die Faust entscheidet“, so der 37-Jährige und fügt schnell hinzu: „Das machen wir aber selbstverständlich nicht, bei uns heißt das dann ‚rittern‘ gehen“. Also ein Stechen – die Männer schießen solange, bis sich ein Punkteunterschied ergibt und ein Sieger feststeht.
Du möchtest selbst einmal das Taubenschießen ausprobieren?
Dann melde dich gerne bei:
OSMeister Andreas Köberl
Tel.: +436644913874