Wels von Martin Temmel | © Martin Temmel | Katharina Wassler Wels von Martin Temmel | © Martin Temmel | Katharina Wassler

Von einem Wassermann

  • 8 Minuten Lesezeit
  • Kulinarische Schätze
Martin Temmel züchtet Fische und produziert Gemüse. Wer glaubt, das eine habe nichts mit dem anderen zu tun, wird überrascht sein.

Er hat klassische Bassposaune studiert und war jahrelang mit den „Global Kryner“ erfolgreich auf Tour. Und noch heute unterrichtet Martin Temmel an einer Musikschule. Aber, was die große Karriere betraf, meint er: „Ich fühlte mich wie in einem Tunnel, wollte etwas Neues machen. Ich suche immer nach Herausforderungen.“ Und es störte ihn, dass der Bauernhof seiner Eltern seit Jahren leer stand. „Er war einfach als landwirtschaftlicher Betrieb nicht wirtschaftlich zu führen, da er zu klein war.“ Aber das Gebäude und das Grundstück rundum gab es ja noch. „Nachhaltigkeit ist mir ganz wichtig. Bestehende Infrastruktur zu nutzen gehört da dazu.“ Zufällig machte ihn ein Freund auf eine nachhaltige
Indoor-Fischzucht aufmerksam. Und da fiel der Groschen: „Fische und Wasser haben mich von Kindesbeinen an fasziniert. Ich war sofort begeistert von der Idee, eine solche Zucht im Hof zu
Hause aufzuziehen.“ Wobei Temmel nicht nur Fisch züchtet. Das System, das er seit 2020 betreibt, nennt sich „Aquaponik“. Und die Idee dahinter ist erstaunlich: Ein Kreislaufsystem, in dem auf biologische Art aus den Ausscheidungen der Fische Nährstoff gewonnen wird, der Gemüsepflanzen zum Wachstum dient. „Die Pflanzen wurzeln und gedeihen im Wasser. Sie filtern dieses. Und gesäubert wird es wieder in das Fischbecken geleitet.“ Temmel kann so ohne Pestizide gesundes Gemüse produzieren, während zugleich gewährleistet ist, dass die Fische keine Antibiotika brauchen. Heute produziert er jährlich etwa fünf Tonnen Fisch, dazu Gurken, Tomaten, Melanzani, Mangold und Salat. „Gerade im Bereich Gemüse mussten wir extrem viel lernen. In der ersten Saison hatten wir den Nährstoffhaushalt nicht im Griff, und als es in der zweiten Saison besser lief, sprangen einige der Welse ins Gemüsebecken und fraßen die Wurzeln“, lacht er. Und wieder kommt er auf sein Lieblingsthema, die Nachhaltigkeit: Vom Edelwels, erklärt er stolz, wird wirklich alles verwertet. Inzwischen gibt es sogar getrocknete Hautstangerl, getrocknete Karkasse und getrockneten Schädel als Kauspielzeug und Knabberei für Hunde. „Die Zulassung dafür zu bekommen war allerdings schwieriger, als wenn man Lebensmittel für Menschen herstellt.“

„Einige der Welse sprangen ins Gemüsebecken und fraßen die Wurzeln.“ „Wasser und Fisch haben mich schon immer fasziniert.“ „Die Welse wollen ihre Ruhe haben.“ -Martin Temmel

Umdenken und genießen

„Wir Menschen müssen dringend umdenken. Nur sieben Prozent aller Fische, die in Österreich gegessen werden, kommen auch von hier.“ Tatsächlich gibt es Berechnungen, dass es aufgrund von Überfischung bereits 2048 keine Fischbestände mehr in den Ozeanen gibt. Martin Temmel verweist hier auf den Film „Seaspiracy“, der ihn sehr bewegt hat. „Wir müssen die Konsumenten aufrütteln! Kauft regionalen Fisch! Esst regionalen Fisch!“ Und er meint, große Anbieter könnten nie soviel Qualität liefern wie kleine. Deshalb bleibt er auch beim Edelwels und will keine weiteren Fischsorten in sein Angebot aufnehmen: „Man muss zu 100 Prozent hinter seinem Produkt stehen.“ Und man merkt, dass er das tut. Denn beim Edelwels kommt er ins Schwärmen. Der Knochenfisch liefert ein perfektes, nahezu grätenfreies Fleisch, das auch jenen schmeckt, die sich ansonsten nicht für Fisch erwärmen können. „Durch seinen milden Geschmack ist er unglaublich vielfältig verwertbar.“ Temmel bietet den Fisch frisch zum Verkochen, im Sommer fertig mariniert zum Grillen und geräuchert an, außerdem produziert er köstlichen Fischaufstrich und Leberpastete in der Festtagszeit. Sein Lieblingswelsgericht? „Wels paniert mit Erdäpfelsalat!“

Fisch und Musik

Zurück zur Musik: Ob er seinen Fischen hin und wieder auf der Posaune etwas vorspielt, um das Wachstum anzuregen? In Oberösterreich gäbe es tatsächlich eine Zucht, wo den Fischen täglich klassische Musik vorgespielt wird, lacht er. Aber bei seinem Wels meint er: „Die Fische wollen ihre Ruhe haben.“ Deshalb biete er auch keine Führungen durch die Aquaponikanlage an. Dass die Edelwelse sich wohlfühlen, das sei das Allerwichtigste.