Steinalpl
Neuberg an der MürzNaturjuwele sind besondere Lebensräume in der Kulturlandschaft, Einzelschöpfungen der Natur und kulturhistorische Besonderheiten.
In den 7 steirischen Naturparken gibt es insgesamt 27 Naturjuwele. Alle diese Naturschönheiten liegen an Wanderwegen, sind daher zu Fuß erreichbar und frei zugänglich. Natürlich begleiten Sie unsere Natur- und LandschaftsführerInnen gerne und geben Ihnen Einblicke in die Welt der Naturphänomene, der besonderen Pflanzen- und Tierwelt, die ihre Lebensräume an diesen Orten gefunden hat.
Landschaftsschutzgebiet 21 –Veitsch-, Schnee-, Raxalpe
543636,9 E bzw. 5287293,9 N
What3Words: ///rutschen.bestritten.geteilten
990 m
ist der Park- und Holzlagerplatz 200 m nach der Jausenstation Leitner in Neuwald unmittelbar nach der Brücke über die Kalte Mürz.
Der Wanderweg folgt der Forststraße rund 3 km nach Osten bis zum Steinalpl, bevor sich das Tal nach einer Brücke stark verengt. Von hier steigen wir ein paar Meter direkt in das breite Flussbett ein.
Vorsicht: Kein Betreten bei starken Niederschlägen und bei starker Schneeschmelze – Hochwassergefahr!
Juni bis August
Leicht
45 Minuten (3 km)
Das Steinalpl an der Kalten Mürz ist der Quellflussbereich der Mürz, genau genommen der Kalten Mürz, die sich im Haupttal mit der Stillen Mürz zur Mürz vereinigt. Die Kalte Mürz liegt ca. fünf Kilometer östlich von Neuwald, das wiederum zwischen Frein und dem Lahnsattel unmittelbar östlich nach der Abzweigung vom Tal der Mürz liegt. Die Kalte Mürz entspringt an den Westanhängen des Eisenkogels (1513 m) und wird auf ihren ersten Kilometern von zahlreichen Seitenbächen gespeist, die teilweise durch enge Felstore – sehenswert vor allem jene östlich des Steinalpls, die von Süden einmünden – in das Haupttal der Kalten Mürz durchbrechen. Die Kalte Mürz liegt in den nordöstlichen Kalkalpen unmittelbar nordöstlich der Schneealpe, womit sie von Kalkbergen umgeben ist.
Die Kalte Mürz ist aufgrund ihrer Lage in den Kalkalpen ein Gebirgsfluss, der stark geschiebeführend ist, wobei das Geröll (Gestein größer 63 mm Durchmesser) ausschließlich aus porösem Kalkgestein besteht. Der Hauptbiotoptyp der hier auftritt, ist der Gestreckte. Dieser ist durch große Geröllflächen gekennzeichnet, die als Schotter- und Sandbank der Fließgewässer mit Pioniervegetation zu bezeichnen sind, die von einem relativ geradlinigen Fluss durchflossen wird.
Das Gewässer entspricht der Zustandsklasse 2 (naturnah) nach Werth (1987): Das Gewässer ist durch Eingriffe des Menschen punktuell überformt – hier durch den Forststraßenbau flussaufwärts mit Steinschlichtungen, die die Geschiebedynamik verändern sowie im Bereich des Steinalpls selbst durch Ausbaggerungen des Geschiebes nach Starkregenereignissen und anschließender Lagerung in den Randbereichen. Damit wird der Fluss künstlich in einer Linie gehalten und ein verzweigter Verlauf unterbunden. Weitere technische Eingriffe wie Sohlverbauungen, Sohlstufen und Ähnliches fehlen jedoch.
Die Biotope des Typs Schotter- und Sandbank der Fließgewässer mit Pioniervegetation werden wegen ihrer höheren Lage über der Mittelwasserlinie nur gelegentlich überflutet und umgelagert, sodass sie eine sehr lückige Vegetationsbedeckung aufweisen.
Folgende Gefäßpflanzen sind hier zu erwähnen: Alpen-Pestwurz (Petasites paradoxus), Blau-Pfeifengras (Molinia caerulae), Kalk-Blaugras (Sesleria caerulea), Bitter- Kreuzblume (Polygala amara), Nickend- Perlgras (Melica nutans) und einjährige Purpur-Weiden (Salix purpurea) sowie sogenannte Alpenschwemmlinge, die aus der subalpinen bis alpinen Höhenstufe herabgeschwemmt werden und in außergewöhnlich tiefer Lage gedeihen: Die weißblütige Alpen- Gänsekresse (Arabis alpina) – ein Kreuzblüter – das auffallend violettblütige Alpen-Leinkraut (Linaria alpina) mit orangen Unterlippen aus der Familie der Braunwurzgewächse, die Schwarzrand- Margerite (Leucanthemum atratum) und Silberwurz (Dryas actopetala).
Weiter am Rand in wiederum noch höherer Lage schließt eine schmale Weiden-Au an. Sie weist in der Baumschicht vor allem Purpur-Weide (Salix purpurea) und Silber-Weide (S. alba) auf, daneben Fichte (Pices abies) und Grau-Erle (Alnus incana).
Die Krautschicht ist schon wesentlich üppiger gestaltet: Hier wachsen wiederum Blau-Pfeifengras (Molinia caerulae) und Alpen-Pestwurz (Petasites paradoxus) sowie Nessel-Ehrenpreis (Veronica urticifolia), Rundblatt-Steinbrech (Saxifraga rotundifolia), Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris), Wiesen-Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum), Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella), Moschus-Erdbeere (Fragaria moschata) und Zweiblüten- Veilchen (Viola biflora). Die Moose sorgen mit über 50 % Deckung für eine geschlossene Vegetationsdecke.
Die Schotterflächen der Kalten Mürz sind sehr spezielle Lebensräume. Einerseits, weil sie durch die Hochwässer periodisch zerstört werden und wieder entstehen und somit die Besiedelung durch spezialisierte Tierarten immer von Neuem startet, und andererseits, weil gerade diese Flussuferlebensräume zu jenen Biotopen gehören, die in den letzten 200 Jahren am meisten zerstört worden sind. Deshalb ist das Steinalpl an der Kalten Mürz ein echtes, wenn auch kleines Flussjuwel.
Die Geröllflächen sehen zwar lebensfeindlich aus, doch sind sie Lebensraum gerade jener Arten, die offene, besonnte und vegetationsarme Rohbodenstandorte aus Geröll und Sand benötigen. Es handelt sich um Vertreter von Tiergruppen, die aufgrund der geringen Körpergröße in der Regel erst auf den zweiten Blick auffallen, dazu später.
Tierbeobachtungen gelingen leichter bei etwas größeren Arten. Gebirgs- und Bachstelze (Motacilla cinerea, M. alba) sind typische Vertreter der Vogelfauna in diesem Gelände. Die Bachstelze ist generell häufiger und NaturbeobachterInnen gut bekannt. Typisch ist ihre Angewohnheit, sich auf einen erhöhten Felsen zu setzen und den Schwanz zu wippen. Charakteristisch ist ihr hoher, metallischer Ruf.
Im Verhalten ähnlich ist die Gebirgsstelze. Sie ist unterseits und am Bürzel sehr schön gelb gefärbt und daher von der Schwesternart leicht zu unterscheiden. Die Gebirgsstelze lebt an schnell fließenden Bächen und jagt dort nach Insekten. Dabei sind ihr die langen Beine behilflich, mit denen sie im Wasser steht, um Nahrung aufzunehmen. Auffallend ist ihr sehr langer Schwanz. Ihre Nester befinden sich in kleinen Höhlen in Wassernähe, etwa unter Brücken, zwischen Felsen und in Erdlöchern.
Sehr flüchtig ist die Wasseramsel (Cinclus cinclus), eine charakteristische Bewohnerin natürlich verbliebener Fließgewässer. Sie ist mit der ebenfalls im Gebiet vorkommenden Amsel (Turdus merula) nicht verwandt. Die Wasseramsel ist relativ bullig und durch den kurzen Stoß und den auffallenden weißen Brustfleck eigentlich unverkennbar. Die Tiere tauchen bis einen Meter Tiefe mit rudernden Flügelschlägen ins Wasser ab, um Flohkrebse und Wasserinsekten zu erbeuten. Dazu haben sie die Fähigkeit, durch Ausbildung von Nasenklappen das Eindringen von Wasser zu verhindern, und sie sind auch in der Lage, mit ihren Augen unter Wasser gut zu sehen.
Ein weiterer Vogel, der schon mit Gebüsch und Bäumen ausgestatteten Uferlebensräume ist der Zaunkönig (Troglodytes troglodytes). Er ist ein sehr kleiner, nur neun Gramm schwerer Vogel – sein Gesang ist dennoch sehr kräftig. Meist sieht und hört man ihn aber erst, wenn er bodennah und schimpfend durch das Dickicht flüchtet. Betritt man die Schotterflächen, sind kaum Tiere sichtbar. Jedoch werden die Schotterflächen von verschiedenen Heuschreckenarten bewohnt. Die häufigste ist der Braune Grashüpfer (Chorthippus brunneus). Er besiedelt generell warme und sonnige, schütter bewachsene Standorte – also auch die Schotterflächen an der Kalten Mürz. Er ist von ähnlichen Arten rein äußerlich schwer zu unterscheiden.
Hier hilft der artcharakteristische Gesang der Heuschrecken. Ein kurzes und deutliches „Psrr“ geht bei Rivalengesängen zwischen zwei Tieren auch in einen Wechselgesang über, wobei jedes Männchen in die Pausen des anderen zirpt.
Eine Besonderheit der Schotterflächen ist die Rotflügelige Schnarrschrecke (Psophus stridulus). Sie ist im Geröll perfekt getarnt. Erst wenn sie auffliegt, zeigt sie ihre knallroten Hinterflügel. Dabei entsteht ein lautes Schnarren der Flügel.
Weitere kleinere Tierarten leben im nassen oder auch trockenen Sand und Schotter: Spezialisierte Spinnen, Laufkäfer, Kurzflügelkäfer, Ameisen, Zikaden und Wanzen.