20 Schilling-Blick am Bahnwanderweg am UNESCO Weltkulturerbe Semmeringbahn | © STG | Günther Steininger 20 Schilling-Blick am Bahnwanderweg am UNESCO Weltkulturerbe Semmeringbahn | © STG | Günther Steininger

Über die Alpen – Über den Semmering

  • 7 Minuten Lesezeit
  • Frühling, Sommer, Herbst, Lebensraum, Abenteuer für Groß & Klein
Vor 170 Jahren, ganz genau am 16. Mai 1854, befuhren der Kaiser und die Kaiserin die Semmeringbahn noch vor ihrer Eröffnung. Am 17. Juli 1854 wurde die Bahn schlussendlich feierlich eröffnet und dem allgemeinen Personenverkehr übergeben. Als erste Hochgebirgseisenbahn der Welt revolutionierte die Semmeringbahn den Schienenverkehr und stellt damit einen bedeutenden Meilenstein in der Geschichte des Tourismus wie auch der Industrialisierung dar.

Im Jahr 1998 wurde die Semmeringbahn und ihre umgebende Landschaft als erste Bahnstrecke der Welt zum UNESCO Welterbe ernannt. Gründe für diese Auszeichnungen waren, dass die Strecke so angelegt wurde, dass „Natur und Technik nicht im Widerspruch standen, sondern miteinander harmonierten“. Die Semmeringbahn wurde bereits zur Zeit ihrer Fertigstellung als „Landschaftsbau“ verstanden, die bis heute ein einzigartiges Reiseerlebnis bietet.

Weitere 10 Jahre vor der Eröffnung der Semmeringbahn, am 21. Oktober 1844, fuhr auf der Strecke Mürzzuschlag – Graz der erste Zug durch die Steiermark. Die Eröffnung der 1. Eisenbahnstrecke der Steiermark war aber nicht nur für die Steiermark von Bedeutung. Die Strecke hatte österreichweite Relevanz, denn es war die 1. Staatseisenbahn Österreichs und löste einen wahren Eisenbahn-Boom aus. Der Zug wurde übrigens von zwei berühmten Persönlichkeiten begleitet: von Erzherzog Johann und Carl Ghega, der 1849 aufgrund seiner Pionierleistung beim Bau der Semmeringbahn mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet und in den Ritterstand erhoben wurde.

Ein Motor für Tourismus und Wirtschaft

Zurück zur Semmeringbahn, die im Jahr 2024 ihr 170-jähriges Jubiläum feiert: Bis zum heutigen Tag hat sich an der Streckenführung nicht viel geändert. Nur der längste Tunnel, der Semmeringtunnel, musste neu gebaut werden. So wurde im Jahr 1952 der neue 1,5 km lange Tunnel, der Niederösterreich und die Steiermark verbindet, eröffnet.

Im Zuge der Überwindung des Semmering mit der Bahn entwickelte sich einerseits das Semmeringgebiet zwischen Rax und Stuhleck zu einer beliebten Ausflugs- und Erholungsdestination mit charakteristischer Villen- und Hotelarchitektur der Jahrhundertwende im Wechselspiel mit der umgebenden alpinen Landschaft. Andererseits war und ist die Bahnverbindung zwischen Wien und Triest via Graz und Ljubljana auch für die wirtschaftliche Entwicklung des Mürztales und darüber hinaus von besonderer Bedeutung.

Beispielsweise reisten die Brüder Albert und Emil Böhler, die aus einer alten Frankfurter Handelsfamilie stammen, 1870 in die Steiermark und handelten mit der k. k. privilegierten Gussstahlfabrik des Freiherrn Mayr-Melnhof in Kapfenberg einen Alleinvertretungsvertrag für deren Stahlprodukte aus. Anschließend wurde die Firma Gebrüder Böhler & Co mit einer ersten Fabrik in Kapfenberg gegründet. Der Beginn einer langen Erfolgsgeschichte für das Mürztal. Heute steht Böhler, Teil der voestalpine High Performance Metals International, weltweit für Edelstahl höchster Qualität und gehört nicht nur zu den größten Arbeitgebern im Grünen Herz, sondern auch zu den innovativsten Branchenführern der Welt.

Eines der bedeutendsten Bauwerke der Welt

Doch wie kam es zum Bau einer Bahnstrecke, für die es zum Zeitpunkt der Planung keine Lokomotiven gab, die Steigungen dieser Art überwinden konnten? Bis ins 12. Jahrhundert war der Pass über den Semmering recht bedeutungslos, da die Kaufleute das unwegsame Gebiet mieden und den Bergen weiter östlich auswichen. Erst danach entstand ein Pfad, der es erleichterte, den Semmering zu überwinden. 1728 ließ Kaiser Karl VI. eine steile Straße errichten. Da diese Straße den Verkehrsbedürfnissen des 19. Jahrhunderts nicht mehr entsprach, wollte bereits Erzherzog Johann eine Eisenbahn von Wien nach Triest nicht über Ungarn, sondern über den Semmering und damit durch die Steiermark, in der seine wirtschaftlichen Interessen lagen, bauen. Auf niederösterreichischer Seite bestand damals bereits die Strecke bis Gloggnitz, auf steirischer Seite eine bis Mürzzuschlag. Die Endpunkte der beiden Strecken waren durch eine 1841 gebaute Straße verbunden, auf der alle Güter mit Pferdegespannen mit bis zu zwölf vorgespannten Pferden transportiert wurden.

Im Zuge der weitreichenden Industrialisierung in Europa wurde jedoch die verkehrstechnische Erschließung der österreichisch-ungarischen Monarchie mithilfe der noch jungen Eisenbahn-Technologie vorangetrieben. So kam es, dass der damalige Staatsminister Karl Friedrich Kübeck den Auftrag zur Errichtung einer Bahnlinie nach Triest gab. 1848 wurden unter dem Eindruck der Revolution in Wien und zur Linderung der Arbeitslosigkeit die Baupläne für die Semmeringbahn genehmigt und der italienischstämmige Ingenieur Carlo die Ghega bekam die Bauleitung übertragen. In einer Rekordzeit von nur sechs Jahren wurde die Semmeringbahn errichtet. Bis zu 20.000 Arbeiter waren mit dem Bau beschäftigt, ausgestattet mit nur wenigen Baumaschinen. Tunnel mussten noch von Hand bergmännisch vorangetrieben werden, da es außer Schwarzpulver noch keinen besser geeigneten Sprengstoff, wie etwa Dynamit, gab.

Tunnel, Viadukte und mehr ...

Zwischen 1848 und 1853 gelang Ghega der Bau des fehlenden Teilstücks über den Semmering zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag. Mithilfe innovativer Planung und der Errichtung von 14 Tunneln, 16 Viadukten und über 100 Überführungen gelang es Ghega einen Höhenunterschied von mehr als 450 m an Seehöhe zu überwinden – im 19. Jahrhundert eine noch nie dagewesene technische Pionierleistung. Die dafür notwendigen Lokomotiven mussten erst im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs eigens für diese Strecke entwickelt und gefertigt werden. Um über den Semmering zu gelangen, führte man am Bahnhof Gloggnitz einige Vorbereitungen für die Befahrung der Semmeringbahn durch:

  • Lokwechsel: Für die Semmeringbahn kamen die speziell entwickelten Stütztenderlokomotiven zum Einsatz
  • Um das Zuggewicht zu reduzieren, teilte man die Züge auf
  • Die Zugkraft wurde durch eine zweite Lok (ziehende Vorspannlok oder drückende Schublok) erhöht

Aber nicht nur das Berganfahren, sondern auch die Talfahrt machte zu schaffen. So mussten vor der Einführung automatischer Bremssysteme bis zu fünf Bremser mitfahren, um den Zug sicher wieder ins Tal zu bringen.

Auch in die Weltliteratur fand die Semmeringbahn Einzug: Die Strapazen beim Bau schildert die Novelle Die Steinklopfer von Ferdinand von Saar, die zwanzig Jahre nach dem Bau entstanden ist. Vom ersten Kontakt und Kulturschock der örtlichen Bevölkerung beim Nutzen der neuen Technik berichtete Peter Rosegger in der Erzählung Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß.

Zeitreise auf Schienen: Die Semmeringbahn heute erleben

Wie lässt sich die Semmeringbahn heute erleben?

  • Natürlich bei einer Bahnfahrt, wobei ein besonderer Tipp die Nostalgiefahrten sind.
  • Aber auch per pedes lässt sich das UNESCO Welterbe entdecken und erforschen. So wurde entlang der Trasse der Bahnwanderweg errichtet, an den zahlreichen Haltestellen kann man auch zu- oder aussteigen. Der Bahnwanderweg auf steirischer Seite trifft übrigens am Semmering auf den niederösterreichischen Bahnwanderweg, der vom Semmering nach Gloggnitz führt.
  • Einen besonders tiefen und spannenden Einblick bietet das vor 20 Jahren eröffnete Südbahn Museum am Bahnhofsgelände in Mürzzuschlag. Zahlreiche Exponate und Dokumente über die Semmeringbahn sind zu sehen. In zwei denkmalgeschützten Eisenbahnhallen werden in der Ausstellung Über den Berg. Wien – Mürzzuschlag – Triest in 13 Stunden 4 Minuten auf rund 2.200 m² Eindrücke vom Bau der Südbahn gezeigt - von den ersten Entwürfen bis in die Gegenwart.
  • Tipp: Nostalgiefest 2024 im Südbahn Museum Mürzzuschlag. Es werden unter anderem auch Sonderzüge aus Ungarn, Wien und Graz geführt.

Semmering Basistunnel und Semmeringbahn

Und wie geht es mit der Semmeringbahn weiter? Mit rund 180 Zügen pro Tag ist sie eine der meistgenutzten Bahnstrecken in Österreich. Damit dem Bahnvergnügen nichts im Wege steht, werden die Bergstrecke und ihre Bahnhöfe laufend saniert. Ein besonderes Beispiel ist der Bahnhof Mürzzuschlag, dessen äußeres Erscheinungsbild wieder dem des frühen 20. Jahrhunderts gleicht, aber nun auch neue Kunden-Center oder Reise-Center beherbergt. Parallel führt ab 2030 mit dem Semmering-Basistunnel eine neue, moderne Hochleistungsstrecke durch den Semmering, die auch die denkmalgeschützte Gebirgsstrecke entlasten wird.

Quellen:

  • Verein Freunde der Semmeringbahn, www.semmeringbahn.at
  • ÖBB Infrastruktur, www.infrastruktur.oebb.at
  • Wikipedia, www.wikipedia.org
  • voestalpine Böhler Edelstahl, www.bohler-edelstahl.com
  • Weltkulturerbe Semmeringbahn, www.semmering.at
  • Südbahn Museum, www.suedbahnmuseum.at